Unsere Mama dreht Pornos

In der Kleinstadt kursieren wilde Gerüchte. Wann sagt Angelina ihren Kindern die Wahrheit?

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Bevor sie ihre Brüste in die Kamera hält, bevor sie an einem Dildo saugt und ihn sich tief in den Rachen schiebt, bevor sie ihre mit unzähligen Piercings verzierte, glattrasierte Vulva reibt, verschiedene Sexspielzeuge in ihre Vagina einführt und Männer, die mit ihr chatten, als «spritzende Hengste» oder «geile Drecksäue» bezeichnet, gönnt sich Angelina am Küchentisch einen Latte macchiato. Seit drei Stunden ist sie schon auf den Beinen. Wie jeden Morgen hat sie ihre Kinder Shelly und Rocco um sieben Uhr geweckt und ihnen die Frühstückspakete in die Schultaschen gesteckt. Toast mit Nutella für Shelly, Toast mit Salami für Rocco, dazu zwei kleine Tomaten für jeden und eine Rolle Käse. Auf jedes Paket hat sie ein kleines rotes Herz gemalt. Früher schrieb sie unter die Herzen noch eine Widmung, meistens ein «Ich liebe dich». Macht sie jetzt nicht mehr. Shelly ist zwölf, Rocco neun. Angelina hat Angst, ihren Kindern könnten die beschrifteten Tüten peinlich sein. Zur Schule bringt sie die zwei auch nicht mehr, beide wollen allein gehen. Shelly läuft den knappen Kilometer, Rocco nimmt das Fahrrad. Ihr Mann ist zur Frühschicht. Julian arbeitet als Pfleger. Die Wohnung, die jetzt nach Kaffee duftet, hat er um kurz vor neun verlassen.

Das erste Mal höre ich von Angelina bei einem Kindergeburtstag. Eine Mutter mit süddeutschem Akzent, die gerade erst in unsere Gegend gezogen ist, berichtet davon, dass sie keinen Anschluss findet. Die meisten Eltern seien ziemlich verschlossen, nur die Mutter von Rocco nicht. «Aber mit der will ich nichts zu tun haben. Von der weiss man ja, was sie macht», sagt sie, als würde sie über eine ansteckende Krankheit sprechen. Wie auf Kommando stimmen die anderen Mütter mit ein. «Die dreht Pornos», sagt eine, über Grillwurst und Nudelsalat hinweg. «Escort soll sie auch anbieten», eine andere. «Ich habe gehört, sie geht nackt putzen», eine dritte. «Ihren Sohn hat sie nach Rocco Siffredi benannt», sagt die mit süddeutschem Akzent, dem italienischen Pornodarsteller mit der Föhnfrisur und dem Antlitz eines Börsenyuppies, bekannt für seinen grossen Penis und die Vorliebe für Analsex; mit rund 4000 Frauen will Siffredi im Laufe seiner Karriere geschlafen haben. Der Zufall will es, dass mein bester Freund mit Angelina zur Schule gegangen ist. Er zeigt mir ein altes Klassenfoto. Angelina steht im Hintergrund. Lange, braune Haare, grauer, viel zu grosser Pulli, hagere Statur. «Ein unscheinbares Mädchen, hat kaum einer beachtet», sagt er und fügt hinzu: «Jetzt würdest du sie nicht mehr erkennen. Gemachte Lippen, gemachte Brüste, krasse Klamotten.»

Der Kontakt ist schnell hergestellt, am anderen Ende der Leitung meldet sich eine freundliche, aufgeweckte Person, die anscheinend gerne lacht. Wir verabreden ein erstes Treffen. Angelina ist es wichtig, dass ihr Mann mit dabei ist. Nur hat der wegen seines Schichtdienstes selten Zeit, deshalb vergehen Wochen, bis wir uns endlich treffen. «Ich werde eine schwarze Jacke und eine Mütze tragen», sage ich vor unserem Spaziergang am Wasser. «Mich erkennst du schon», sagt Angelina. Tatsächlich ist an diesem trüben Wintertag niemand unterwegs, der ihr optisch auch nur annähernd ähnelt. Hochhackige Lederstiefel in Schwarz, passend zur hautengen Hose, Felljacke mit Leopardenmuster. Knallrote, aufgespritzte Lippen, Nasenring. Kurze, pechschwarze Haare, lange weisse Fingernägel, überdimensionierte künstliche Wimpern. Julian hat den Arm um seine Frau gelegt und lässt sie auch während der Begrüssung nicht los. Er trägt Jeans und einen unauffälligen langen Mantel in Beige. Eng umschlungen wie zwei frisch Verliebte laufen Angelina und Julian die Uferpromenade entlang.

Einer Geschichte über sie stimmen sie zu, aber nur unter Bedingungen, wobei Julian fast alle vorgibt. Keine vollständigen Namen, keine genauen Angaben zum Wohnort, und die Kinder bitte rauslassen. Unmöglich bei einer Geschichte über die Vereinbarkeit von Familie und Porno, entgegne ich. Wir verhandeln intensiv, über Wochen. Schliesslich einigen wir uns darauf, dass Angelinas Künstlername nicht auftauchen darf: Stalker sind in der Sexbranche ein Problem, erzählt sie. Vor der Wohnung einer Kollegin hätten Fans gewartet, immer wieder Geschenke per Post geschickt. «So etwas möchte ich auf keinen Fall», sagt sie. Ihre wahre Identität preiszugeben, wäre obendrein schlecht fürs Geschäft. Manche Konsumenten hätten Probleme, Fiktion und Realität auseinanderzuhalten. Die zwei Kinder und den Ehemann könnten ihr etliche Männer, die sich im Internet ihre Shows ansehen, übelnehmen. Das bürgerliche Leben passt nicht zur Rolle der frivolen, dauerfeuchten Nymphe, die sie vor der Kamera mimt.

Angelina ist 38 Jahre alt und gelernte Bürokauffrau. Als Selbständige arbeitet sie von zu Hause aus. Im Schlafzimmer. Fünf bis sechs Stunden pro Tag, fünf bis sechs Tage die Woche zeigt sie sich vor der Kamera, meist von 9 bis 14 Uhr. Das ist am besten mit ihrem Familienleben vereinbar. «Früher habe ich viel ausprobiert und zu verschiedensten Zeiten gearbeitet, nachmittags, abends, nachts. Aber das geht auf Dauer nicht, weil ich morgens aufstehen und den Kindern ihr Frühstück machen muss», sagt Angelina. Zudem: «Die Kunden sind rund um die Uhr da.» Der Raum ist in Weiss gehalten, weisser Nachttisch, weisse Wände, an der einen hängt ein Traumfänger. Angelina hat die Jalousie vor dem Fenster heruntergezogen, fahles Kunstlicht durchflutet den Raum. Unter dem Bett holt sie zwei Kisten mit Sexspielzeugen und Dildos hervor, der grösste ist 30 Zentimeter lang und fast so dick wie ein männlicher Unterarm. Manchmal bestehen die Zuschauer darauf, dass sie ihn sich einführt. Hinten im Zimmer ist ein begehbarer Kleiderschrank, abgetrennt durch eine Wand mit einer schmalen offenen Stelle. Von dort aus, aus dem Backstage sozusagen, darf ich ihr bei der Arbeit zuschauen. Ich sitze auf einem Hocker, um mich herum stehen und hängen all ihre anderen Arbeitsutensilien wie Reizwäsche, Korsette, Schuhe, Stiefel – 74 Paar hat Angelina in allen Farben und Formen, zum Schnüren, mit Schnallen. Variantenreich sind auch ihre Kostüme: Schulmädchen, Haushälterin, Geschäftsfrau. Die trägt Angelina je nach Wunsch, genau wie Négligés oder Bodys. An der Wand im Schrank hängen Peitschen und Lederhalsbänder mit glänzenden Stacheln aus Metall. Dominante Rollenspiele sind ihr Spezialgebiet. Unter ihren Kunden befinden sich Anwälte und Ärzte, Gross- wie Geringverdiener. Überprüfen kann sie das nicht, nur den Männern glauben, wenn die manchmal während einer Webcam-Session von ihren Jobs erzählen. 

An diesem Morgen entscheidet sie sich für einen schwarzen Body mit dünnen Trägern. Diese lassen sich schnell abstreifen, wenn jemand ihre Brüste sehen will – was eigentlich immer der Fall ist. Sie setzt sich an ihren Schreibtisch, der am Fussende des Ehebettes steht, und schaltet die beiden Monitore ein. Sie trinkt einen Schluck Wasser, stellt die Flasche unter ihren Schreibtisch und loggt sich ein. Die Portale, auf denen sie ihre Liveshows anbietet, heissen My Dirty Hobby, Big7, Camworld, Livestrip oder Visitx. Ihre mehrheitlich männlichen Zuschauer bezahlen zwischen zwei und vier Euro pro Minute, je nach Portal. Einen festgelegten Prozentsatz, rund 60 Prozent, ihrer Einnahmen muss sie an die Betreiber der Portale abgeben, der Rest landet am Monatsende auf ihrem Konto: 3000 bis 5000 Euro netto. 

Wenn Angelina in ihr Arbeits-Ich schlüpft, verändert sich ihre Stimme. Wird ganz ruhig, weich. «Guten Morgen, Ben», begrüsst sie ihren ersten Kunden. «Na, schon wieder geil? Hattest wohl geile Träume, was?» Angelina spricht in ein Mikrofon, sie entscheidet, mit welchem Zuschauer sie aus dem offenen Chat in einen virtuellen «Privatraum» wechselt; nur der kann sie dann sehen. Die User können nicht mit ihr sprechen. Per Chat teilen sie ihre Wünsche mit und steuern so, was Angelina macht. Ben möchte in den Privatbereich, Angelina stimmt zu. Die anderen User bleiben im kostenlosen Wartebereich. «Und, was willst du anstellen?» Angelina zeigt ihre silikonprallen Brüste. «Hast du darauf Lust?» Aber Ben möchte etwas anderes. «Will deinen geilen Arsch sehen», schreibt er. «Ach, du bist ein Arschfeti? Willst du ihn betrachten?», fragt Angelina, dreht sich auf ihrem Stuhl und streckt ihren Po in die Kamera. «Gefällt er dir?» Gekonnt, ohne dass es ihrem Gegenüber zu sehr auffällt, schaut Angelina auf den Bildschirm, auf dem Bens Anweisungen per Chatnachricht einlaufen. 

Der Kunde kommt in Fahrt. Er möchte, dass sie ihre Pobacken auseinanderzieht. Angelina spreizt sie so weit, bis ihr Anus sichtbar wird. «Ach, lecken, das war klar. Schön auslecken, du kleine Drecksau! Und währenddessen wichst du deinen Schwanz, ja.» Wie zum Beweis schickt Ben ein Bild seines erigierten Penis. Angelina feuert ihn weiter an. «Komm, schön auslecken. Und jetzt bettel, dass du deinen Schwanz weiter wichsen darfst. Ach, schon spritzbereit? Dann gebe ich dir einen Countdown.» Angelina beginnt rückwärtszuzählen, wie beim Raketenstart. «Zehn, neun, acht, sieben, sechs, fünf, vier, drei, zwei, eins. Und? Hat es geklappt?» Ben stellt ein Bild seines Ejakulats in den privaten Chat. Dann verabschiedet sich Angelina von ihm und wendet sich routiniert den nächsten Usern zu, so als würde sie in einer Telefonzentrale Anrufe entgegennehmen: «Wen haben wir denn da? Wer ist denn noch so geil? Ach, Mäppi und Bernd.»

So geht das vier weitere Stunden. An diesem Morgen verlangen User zweimal, dass sie an dem Riesendildo saugt und ihn sich tief in den Rachen schiebt. Ihre Spucke, die dabei an dem Gummipenis hinunterläuft, wischt sie später mit einem Tuch Küchenrolle weg. Einmal soll sie sich einen kleineren Dildo einführen. Es gibt Tage, da wollen die Kunden das ständig. «Dann muss ich einen Tag Pause machen, damit sich meine Pussy erholen kann», sagt Angelina, während sie die Monitore herunterfährt. Die körperlichen Anstrengungen sind enorm. Nicht selten tut ihr nach einem Arbeitstag der Rücken weh, wegen der verschiedenen Positionen, die sie auf dem Stuhl einnehmen muss. Dennoch ist Camgirl ihr absoluter Traumberuf, in dem sie voll aufgeht, den sie so lange weitermachen möchte, wie es geht. «Es gibt Frauen, die machen das mit sechzig oder noch älter. Zuschauer gibt es für alle Altersstufen.» 

Zurück in der Küche – rote Schränke, roter Herd, roter Kühlschrank, rote Äpfel in der Obstschale – macht sie sich ein Vollkornkäsebrot. Warm kocht sie abends, wenn alle daheim sind. Eine halbe Stunde später klickt unten das Türschloss. Shelly geht sofort in ihr Zimmer, das macht sie jetzt öfter. «Pubertät», kommentiert Angelina. Rocco nimmt sich Saft aus dem Kühlschrank. Lange zu Hause bleiben sie nicht, am Nachmittag hat Shelly ihre Reitstunde. Draussen am Stadtrand, Angelina fährt sie mit dem Auto. Allzu viel reden sie nicht. Die Zwölfjährige tippt auf ihrem Handy herum, bis sie beim Unterricht sind. Bald sitzt Shelly auf Lizzy, einer rötlichen Haflingerstute mit weisser Mähne. Eisiger Wind bläst über das offene Gelände. Shelly wirkt sehr konzentriert. Die Trainerin gibt Anweisungen. «Den Rücken gerade durchdrücken. Mehr Druck mit den Beinen, mehr Druck.» 

Ihrer Tochter den Unterricht ermöglichen zu können, macht Angelina stolz. Sie selbst ist nie geritten, obwohl sie auf dem Dorf aufgewachsen ist, unweit einer Pferdekoppel. Der Unterricht ist teuer, 450 Euro für ein halbes Schuljahr. Roccos Keyboard-Stunden sind etwas günstiger. Viel mehr Luxus, als den Kindern ihre Hobbys zu ermöglichen, gönnt sich die Familie nicht. Gut, sie haben ein kleines Boot für Ausflüge im Sommer und zwei Autos. Machen ein- bis zweimal im Jahr Urlaub, meistens an der Ostsee, selten im Ausland. Sie mieten eine grössere, zweigeschossige Wohnung, essen gelegentlich im Restaurant, aber sonst? Geld war nicht der Hauptgrund, warum Angelina im Jahr 2016 mit der Cam und später mit den Pornofilmen anfing. «Die Beine! Denk an die Beine!», ruft die Reitlehrerin. Nach dem Unterricht fährt Angelina ihre Tochter wieder nach Hause. Shelly sieht müde aus. Zum Abendessen gibt es Nudeln mit Tomatensauce.

Kennengelernt haben sich Angelina und Julian 2003, als sie beide in einem Baumarkt aushalfen. Er war damals 20, sie 19 Jahre alt. Sie hatte gerade angefangen, sich im Solarium zu bräunen. Es funkte sofort. Ebenfalls von Solariumröhren tiefgebräunt, trug er die Haare kurz und schwarz gefärbt, immer mit viel Gel. Anders als heute war er damals schlank, aber nicht hager. Weiche, rundliche Gesichtskonturen. Und dann seine Aura: nett und unnahbar zugleich. Als DJ kannte man ihn in der Kleinstadt. Er war einer von den coolen Jungs, unabhängig, mit einer eigenen Wohnung, seit er mit 18 von zu Hause ausgezogen war. Unter der Woche, wenn er nicht im Baumarkt arbeitete, hing er im einzigen Plattenladen der Stadt rum. An den Wochenenden spielte er in den Clubs der Umgebung. Wenn er auflegte, schwirrten ständig Mädchen um sein DJ-Pult, steckten ihm Zettel zu. Auf die Vorderseite schrieben sie einen Musikwunsch, auf die Rückseite ihre Telefonnummer. An Offerten mangelte es ihm nicht.

An seiner neuen Freundin mochte er ihre sexuelle Offenheit. Obwohl sie, anders als er, wenig Erfahrung hatte – ihr erstes Mal hatte sie mit 17, später als ihre Freundinnen –, machte Angelina bald alles mit, was er vorschlug: vaginal, oral, anal. Sie schliefen mehrmals am Tag miteinander, an verschiedenen Orten, in verschiedenen Stellungen. Hauptsache, abwechslungsreich. Angelina, die noch bei ihrer Mutter wohnte, zog nach wenigen Wochen bei Julian ein. Doch aus der Nähe wurde bald Enge. Julian wollte feiern, Angelina am Wochenende auch mal auf dem Sofa liegen. In der Disco verliebte er sich in ein anderes Mädchen und schlief mit ihr. Nicht heimlich, mit Angelina sprach er über seine Gefühle. Sie trennten sich. Daraufhin ging sie auf die Avancen eines älteren Mannes ein. Julian hörte davon und war überrascht: Angelina trauerte ihm nicht nach oder versuchte, ihn zurückzugewinnen. So hatte noch keine reagiert. Drei Wochen nach ihrer Trennung fuhr Angelina an einem Freitagabend in die Disco, in der Julian auflegte. Der wusste, dass sie da war. Angelina stand auf der Tanzfläche, inmitten der schwitzenden, feiernden Leiber. Die Stimmung war am Kochen, als er die Musik plötzlich leiser drehte. Er schnappte sich ein Mikrofon und begann zu sprechen. Den genauen Wortlaut bekommen beide heute nicht mehr zusammen, aber es war eine innige Liebeserklärung. Mitten in der Disco, vor über tausend Menschen. Angelina war beeindruckt, sie hätte sich das nicht getraut. Von da an blieben sie ein Paar.

Offen sprachen sie über ihre Erwartungen an eine Partnerschaft und ihre sexuellen Wünsche. «Irgendwann lagen wir auf der Couch und kamen darauf, wie es wohl wäre, einen Swingerclub zu besuchen. Wir hatten das beide noch nie gemacht und fanden die Vorstellung spannend», erinnert sich Angelina. Nach vier, fünf Jahren empfanden sie ihre Beziehung als gefestigt genug. Sie sprachen über mögliche Abläufe und legten eine verbindliche Regel fest: Sex mit anderen nur, wenn der Partner im gleichen Raum ist. «Uns beide machte die Vorstellung an, sich gegenseitig beim Sex mit anderen zuzusehen», sagt Angelina. Ihr erstes Mal mit Fremden hatten sie 2008 in Berlin, in einem Club namens Insomnia, einer Legende des dortigen Nachtlebens. Julian kann sich noch gut an den Abend erinnern. Sie standen beide an der Bar, er mit freiem Oberkörper und enger Hose, Angelina im extrem knappen Latexkleid. Plötzlich kamen zwei Frauen und nahmen Angelina bei der Hand. Sie führten sie in eines der Separees und begannen mit dem Liebesspiel. Julian sah die ganze Zeit zu, griff aber nicht ein. Nach Hause fuhren sie erst, als der neue Tag längst begonnen hatte. Glücklich über die neue gemeinsame Erfahrung. Und auch erleichtert, dass der Abend gelungen war. Die Sonne schien durch die Autoscheiben, die Landschaft flog vorbei und sie hielten Händchen.

In die Clubnächte kam bald Routine, ohne Eifersucht, wie beide betonen. Sie zogen durch die Clubs Berlins, «von Ficksession zu Ficksession», sagt Julian. Dass Angelina mit anderen Männern schlief und Julian mit anderen Frauen, machte ihnen nichts aus. Erste Freundschaften entstanden, mit einigen Pärchen trafen sich Angelina und Julian auch ausserhalb des Clubs und feierten in Berlin Sexpartys. Unter Gleichgesinnten fühlten sie sich wohl, die von beiden empfundene moralische Enge der Kleinstadt konnten sie an den Wochenenden hinter sich lassen. Solche Erfahrungen können Paare voneinander entfremden oder sie im Gegenteil enger zusammenschweissen. Bei Angelina und Julian verstärkten sie das Gefühl, füreinander geschaffen zu sein. Auf seinem Rücken prangt heute ein riesiges Konterfei von Angelina, in ihre linke Armbeuge liess sie sich den Schriftzug «Property of J. 24/7» tätowieren: Eigentum von Julian, 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche. Vom allerersten Treffen mit den beiden ist mir ein Satz von Julian in Erinnerung geblieben: «Wir zwei gegen den Rest der Welt.»

Das Swingerleben fand durch Shellys Geburt 2010 ein abruptes Ende. Sie waren sich früh einig gewesen, dass sie Kinder wollten, Nachwuchs war für sie ein weiterer Schritt in ihrer Beziehung. Im Swingermilieu machten Babypuder und volle Windeln sie allerdings zu Aussenseitern. «Die Kontakte von damals sind alle abgebrochen. Die Szene hat etwas Flüchtiges, alle leben nur für den Moment», sagt Angelina. Die ganz alten Freunde aus Jugendzeiten waren da schon lange weg. Einige kamen mit ihrer Freizügigkeit nicht klar, erzählt Angelina: Sexualität kann auch ein Wettbewerb sein. Oder ein Ausschlusskriterium. Drei Jahre nach Shelly kam Rocco zur Welt, auch er ein Wunschkind. Sex mit anderen hatten sie in der Zeit nicht. Das änderte sich erst, «als die Kinder aus dem Gröbsten raus waren», wie Angelina sagt, und bei den Grosseltern übernachten konnten. Heute versuchen sich Angelina und Julian einmal im Monat ein «Mama-und-Papa-Wochenende» einzurichten. Dann gehen sie zusammen ins Restaurant oder in einen Sexclub. 

Zum ersten Mal vor der Cam sass Angelina am Pfingstsonntag des Jahres 2016. Da war sie 32 und zweifache Mutter. Sie wusste nicht, wie es beruflich mit ihr weitergehen sollte. Der vernünftig bezahlte Job im Büro machte ihr keinen Spass. Sie hatte eine Ausbildung zur Erzieherin begonnen, aber dort waren die Gehälter nicht gerade hoch, deshalb brach sie die Lehre wieder ab. Zufällig sah sie im Fernsehen eine Reportage über ein Camgirl. «Ich konnte mir das auch gut vorstellen», sagt Angelina. Erfahrungen vor der Kamera hatte sie schon, sie und Julian hatten sich oft beim Liebesspiel gefilmt und überlegt, die Clips ins Internet zu stellen. Machten sie dann aber doch nie, aus Angst, erkannt zu werden: Die Familie lebt in einer Kleinstadt im Berliner Umland, 30 000 Einwohner, gefühlt kennt hier jede jeden. Die Frau in der Fernsehreportage schwärmte von ihren Verdienstmöglichkeiten. Julian fand die Idee gut. Die Kinder brachten sie zu den Grosseltern. Auf dem Wohnzimmertisch installierte Julian eine Kamera. Angelina setzte sich eine Maske auf und zog ein Stoffoberteil über ihre tätowierten Arme. Nichts sollte Hinweise auf ihre Identität geben. Es war ja nur ein Probelauf, und Angelina wollte um keinen Preis erkannt werden. Sie wählte sich bei einem Portal ein. Es dauerte nicht lange, da meldeten sich die ersten Neugierigen. Angelina zeigte ihre Brüste, ihren Po, ihre Vulva. Nicht nur wurde «die Neue» sogleich mit Bewunderung überschüttet und fühlte sich begehrt, auch hatte sie nach kurzer Zeit über 200 Euro mehr auf dem Konto. Angelina war beeindruckt. Also machte sie weiter. Immer an den Abenden, wenn die Kinder schliefen.

Die Anonymität hielt knapp eine Woche. Ein Neffe von Julians Stiefvater erkannte sie. Woran, kann Angelina nur vermuten. «Vielleicht war es meine Stimme, vielleicht meine Körperform oder die Brüste? Wir haben nie darüber geredet», sagt sie. Die Aufregung in der Familie war gross, bald erreichte die Nachricht auch Angelinas Mutter – ihr Vater war an Krebs gestorben, als Angelina neun, ihre grosse Schwester zwölf war. «Wisst ihr, was ihr euren Kindern damit antut?», fragte die Mutter, als sie von dem neuen Betätigungsfeld ihrer Tochter erfuhr. Angelinas Reaktion war einmal mehr: Trotz. Mein Körper, meine Entscheidung. Diesen hatte sie über die Jahre so stark verändert, dass aus Angelina immer mehr eine Kunstfigur geworden war. Neben den Lippen, die sie immer schon möglichst voluminös mochte, liess sie sich nach Roccos Geburt auch die Brüste vergrössern, nach zwei Schwangerschaften empfand sie sie als zu schlaff. Die Begeisterung bei ihrer Mutter über die Körbchengrösse H ihrer Tochter hielt sich in Grenzen. Erst recht, was die Tattoos anging: Aus einem wurden zwei, dann drei, dann immer mehr, bis Arme, Rücken, Steissbein und Oberschenkel bedeckt waren. «Haters gonna hate», steht auf ihrem linken Bein, die Hasser werden hassen. Auch die Piercings wurden mehr, zu Beginn liess sie sich drei durch die Schamlippen stechen, mittlerweile sind es fünfzehn. Und es könnten noch mehr werden. «Da ist immer noch Platz», sagt Angelina und lacht. 

Angelinas Äusseres ist ihr Kapital. Dass sie es stetig verändert, ist für die Familie normal. Kürzlich nahm sie Shelly sogar mit in die Klinik, als sie sich die Lippen erneut aufspritzen liess. Nur nicht beliebig sein, ein hoher Wiedererkennungswert bedeutet in der Erotikbranche bares Geld. Filme mit ihr tragen Namen wie Deutsche BBW Milf mit mega Titten, wobei BBW für Big Boobed Woman steht und Milf für eine Frau mittleren Alters, Mother I’d Like to Fuck. Ein anderer Titel: Im Wald vom Fremdschwanz gefickt. Angelina ist es wichtig, dass sie die Männer, mit denen sie vor der Kamera schläft, kennt. Pornofilme zu drehen, war eine logische Ergänzung ihrer Camgirl-Karriere. Zuschauer können die kurzen Sequenzen, meist zwischen zehn und zwanzig Minuten lang, auf ihrer Homepage gegen Bezahlung ansehen. Sie sind wichtige Werbung für Angelinas Webshows. «Alle Camgirls drehen solche Clips», sagt sie. Bei den Aufnahmen ist Julian immer dabei, macht während der Drehs Fotos. «Er managt alles», sagt Angelina, aber davon sehe ich wenig: Julian geht seinem Job nach, Angelina ihrem. Den Papierkram einer Selbständigen erledigt sie als gelernte Bürokraft selbst. Die von Julian geschossenen Bilder stellt sie ebenfalls ins Internet, weitere Werbung für ihr florierendes Geschäft.

Bei Elternversammlungen oder Schulveranstaltungen versuchen andere Eltern, ihr gegenüber ganz unverfänglich aufzutreten, hat Angelina den Eindruck. Dabei wirken sie allerdings so verkrampft wie Teenager beim ersten Date. «Was machst du eigentlich so?», wird sie in den Pausen immer wieder gefragt. Angelina sagt dann: «Ich bin Camgirl.» Über ein Nicken, ein unbeholfenes «Ahhh» oder «Ohhh» gehen die Unterhaltungen selten hinaus. Unter sich und mit ihren Kindern sind die anderen Eltern aber deutlich gesprächiger, Gerüchte machen die Runde wie etwa die Sache mit Rocco Siffredi. «Ach, Mensch», sagte sie mir gleich zu Beginn, «ich hoffe, du bist nicht enttäuscht, aber das stimmt nicht, ich habe meinen Sohn nicht nach ihm benannt. Den Namen finde ich nur schön, weil er so gut klingt. Langweilig, oder?»

Angelina ist ein fleischgewordener Kontrast, alles an ihr erscheint auf den ersten Blick widersprüchlich. Während sie in der Öffentlichkeit, unter Erwachsenen, oft disruptiv wirkt, durch ihren Körper, ihre Kleidung das angestammte soziale Gefüge sprengt, ist sie in ihrer Familie der Klebstoff, der alles zusammenhält. Sie ist umgänglich, Typ Kumpel, humorvoll und hilfsbereit. Als eines Morgens Fahrer für den Ausflug von Roccos Klasse fehlen, holt sie kurzerhand ihr Auto und bringt die Kinder zur Huskyfarm in einem nahegelegenen Dorf. Ihre Arbeit vor der Cam lässt sie an dem Tag ausfallen. Sicher, die Stammkunden warten umsonst, aber nach einem enttäuschenden Tag lassen sie Angelina schon nicht fallen. Am Abend schickt ihr Roccos Klassenlehrerin eine Nachricht aufs Telefon: «Liebe Frau H., vielen lieben Dank für Ihre Mühe und Unterstützung. Toll, wie Sie sich für die Kinder einsetzen. Sie sind nicht zu bezahlen. Alles Liebe und Gute.» Julian ist da anders, unnahbarer, mit dem Hang zum Launischen. Manchmal kommt er von der Arbeit, und es genügt eine Kleinigkeit, um ihn aus der Fassung zu bringen. Wenn sie gestritten haben, setzt er sich ins Auto und fährt in sein Büro. So nennt Angelina den angemieteten Raum in einem Industriekomplex, rund zwei Kilometer von der Wohnung entfernt. Manchmal sendet sie ihre Shows von dort, wenn die Kinder im Haus sind und sie sich entscheidet, doch mal abends zu arbeiten. Julian wirkt auf mich wie ein Suchender, der seinen Platz in der Beziehung immer wieder behaupten muss.

Um die beiden besser kennenzulernen, lade ich sie zum Grillen bei meinen Eltern ein. Shelly und Rocco sind bei ihren Grosseltern. Meine Eltern leben auf einem Bauerngehöft, mein Vater ist Landwirt. Überall laufen Tiere herum, Enten, Hühner, Katzen, Hunde, der Hof ist nicht gepflastert. Auf der Koppel hinter dem Haus steht ein Pferd. Angelina trägt Stiefel mit hohen Absätzen und eine rosafarbene Jacke. Zu Beginn hat sie etwas Mühe, über das unebene Gelände zu laufen. Wir setzen uns um eine Feuerschale. 

«Warum hast du so lange Fingernägel?», fragt meine Tochter.

«Ich mag sie so», sagt Angelina.

«Warum sehen deine Lippen so komisch aus?»

«Findest du, dass sie komisch sind?»

Meine Tochter nickt.

«Ich finde sie schön so», sagt Angelina.

«Möchtest du mein Pferd sehen?», fragt meine Tochter. Sie nimmt Angelina an der Hand, noch ehe die antworten kann. Die beiden staksen los, durch hohes Gras, Richtung Wiese und sind für lange Zeit verschwunden. Erst als die Würste fertig sind, kommen sie zurück, Hand in Hand. Für den Rest des Abends sitzt meine Tochter auf Angelinas Schoss, die zeigt ihr ein Handyvideo, das Shelly geliebt hat, als sie im gleichen Alter war. Darin sucht eine kleine gelbe Ente nach ihrer Mama, unterlegt mit einfachen Technobeats. «Wo, wo, wo, wo ist meine Mama», singt die Ente, und Angelina singt mit meiner Tochter mit. Wieder zu Hause, bedankt sie sich per Whatsapp für den schönen Abend. 

Angelina erzählt mir, dass sie gern Lehrerin wäre. Aber nur für Sexualkunde: «Für die Kinder wäre es bestimmt cooler, wenn jemand wie ich das macht. Ein bisschen locker und lustig und nicht so verkrampft, wie wenn ein älterer Lehrer ein Kondom über eine Banane zieht und dann sagt, ‹so geht Sex›.» Sex ist schön, Sex macht Spass, so lautet die Botschaft, die sie unbedingt weitergeben möchte. Die Sache ist ihr ernst, in ihrer Freizeit möchte sie Kurse belegen, die sie zur Aufklärung von Schulklassen befähigen. Was wohl die anderen Eltern von der Idee halten würden? Angelina zuckt mit den Schultern. «Die Reaktionen wären vermutlich gemischt, so wie immer, wenn es um mich geht», sagt sie. Welche Art von Sex würde sie den Kindern näherbringen? Den harten, der in ihren Filmen zu sehen ist? Stünden wie bei ihren Camshows die männlichen Bedürfnisse im Vordergrund, die die Frauen selbstlos, um jeden Preis zu befriedigen hätten? «Ich würde es viel allgemeiner halten, nicht so speziell», weicht sie aus. «Mir wäre es wichtig, zu erklären, dass Verhütung wichtig ist. Oder dass sich niemand vor seinem Körper ekeln muss. Dass alles ganz normal ist. Solche Dinge», sagt Angelina. 

Zugangsbeschränkungen der meisten Erotikportale sind einfach zu umgehen. Zwei, drei gezielte Klicks, und jeder kann sehen, wie Angelina mit anderen Männern schläft – auch Kinder und Jugendliche. Deshalb wird der Tag kommen, an dem sie ihren Kindern erzählen muss, wie sie ihr Geld verdient. Ihre Mutter beim Sex sehen zu müssen, und dazu noch mit fremden Männern, ohne Vorwarnung, das möchte Angelina Shelly und Rocco nicht antun. Shellys Mitschüler besitzen fast alle ein Handy, und Angelina weiss, dass über sie geredet wird. «Deine Mutter ist eine Schlampe», hatte eine Mitschülerin von Shelly einmal gerufen. «Wir haben Geld und ihr nicht», rief Shelly zurück. Angelina bekam einen Schreck, als sie davon hörte. Weiss ihre Tochter schon mehr? Bisher hat Angelina nur grob umrissen, was sie macht: «Mama zieht sich vor einer Kamera aus und zeigt ihre Brüste, wenn einer das möchte», hatte sie vor einem Jahr zu Shelly gesagt. Die nahm es wortlos hin.

Die meisten von Shellys Freundinnen mögen Angelina. An Shellys jüngstem Geburtstag sind vier von ihnen zu Gast. Es gibt Kakao, Angelina hat eine Schokoladentorte gebacken und zwölf Kerzen daraufgesteckt. Die Mädchen albern am Tisch herum, in ihren Gesprächen geht es darum, wer gerade alles doof ist in der Klasse. Dann verziehen sie sich nach oben in Shellys Zimmer und sind bis zum Abendbrot nicht mehr zu sehen. Hin und wieder dringt Gekicher aus dem Raum, mehr nicht. Shelly hat sich eine Pyjamaparty gewünscht, ihre Freundinnen dürfen bei ihr übernachten. «Die ist cool, weil sie ein bisschen ausgeflippt ist», sagt eine der Freundinnen über Angelina. «Ja, die traut sich was», sagt eine andere. Die Mädchen wünschten sich ähnlich lockere Mütter. Shelly sagt nichts dazu. Sie ist lieber bei ihren Freundinnen zu Besuch, ihre Freundinnen lieber bei ihr. Hauptsache, weg von den eigenen Eltern. 

Die Entscheidung, mit Shelly über Angelinas Beruf zu reden, fällt spontan wenige Wochen nach unserem Grillabend, kurz vor den Sommerferien. Angelina erzählt mir ausführlich davon. Die Familie sass in der Küche, zum Abendessen gab es Spaghetti. Rocco und Shelly wollten gerade aufstehen, als Angelina sagte: «Geh schon mal hoch, Rocco. Mama und Papa müssen noch was mit Shelly besprechen.» Shelly rückte wieder auf ihren Stuhl, wirkte angespannt. «Ist nichts Schlimmes», beruhigte Angelina. «Wir möchten nur mal mit dir über Mamas Beruf sprechen. Ich habe dir doch schon erzählt, dass sich Mama vor der Kamera nackt auszieht», fuhr Angelina fort. «Aber zu Mamas Arbeit gehört auch, dass ich manchmal andere Männer küsse und mit ihnen Sex habe. Das wird dann aufgenommen, und andere Leute, die dafür Geld bezahlen, können es sich ansehen. Im Internet gibt es die Filme mit Mama.» Stille. «Ist das jetzt komisch für dich?»

«Ja, schon.» Shelly nickte. Wieder Stille. «Liebst du Papa nicht mehr?», fragte sie, ohne ihre Mutter richtig anzusehen.

«Wir lieben uns ganz doll. Mit anderen zu schlafen, ist für uns aber nicht schlimm», sagte Angelina. 

Nun stimmte Julian mit ein. Den Beginn des Gesprächs hatte er eher passiv verfolgt, «du machst das schon», hatte er zu Angelina zuvor gesagt. «Wir haben uns dadurch nur noch mehr lieb», sagte er. Shelly schien das zu beruhigen.

«Wenn jemand einen Film mit Mama sieht und dann was Blödes zu dir sagt, sag uns Bescheid, ja», sagte Angelina. «Mama sieht halt anders aus und macht andere Sachen.»

Shelly stand auf. «Das weiss ich, Mama. Ist auch nicht schlimm. Ich lieb dich so, wie du bist.» Dann umarmte sie ihre Mutter und ging nach oben.

Angelina wirkt nach dem Gespräch erleichtert. Sie ist sich sicher, dass Shelly Rocco nichts erzählen wird. Mit Rocco will sie reden, wenn er genauso alt ist wie Shelly jetzt. «Unsere Grosse hat viel Selbstvertrauen, ich bin mir sicher, sie würde mit uns reden, wenn sie damit nicht klarkommt oder gehänselt wird», sagt Angelina jetzt. 

Wenige Wochen später verreist Shelly. Die Eltern einer Freundin nehmen sie für einen Tagesausflug mit an die Ostsee. Am frühen Abend kommt sie zurück. Die Mädchen verschwinden sofort in Shellys Zimmer. Die Eltern der Freundin bleiben kurz mit Angelina und Julian unten im Hof. Die Männer reden über das neue Auto, das sich Julian gekauft hat, einen schwarzen Skoda, die Frauen über den Ausflug. Irgendwann zwischen den Strandgeschichten fragt die andere Mutter Angelina, was sie eigentlich beruflich mache. Shelly, erzählt die Frau, konnte ihr die Frage nicht so richtig beantworten.