
Am Freitagabend wurden in Bern die Gewinnerinnen und Gewinner des True Story Award 2024 bekannt gegeben. Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider eröffnete die Preisverleihung vor 300 Gästen, darunter die 36 nominierten Reporterinnen und Reporter. Anschliessend skizzierte der Cartoonist Patrick Chappatte in einer spannenden Keynote den aktuellen Stand der globalen Medienlandschaft. Der Höhepunkt des Abends war die Bekanntgabe der drei Preisträger durch die Hauptjury.
Der erste Preis geht an ein Werk, das sich durch seine Originalität, seine Finesse und seine akribische Liebe zum Detail auszeichnet. Ein Mann hat etwas gesehen, und er will aussagen, Namen nennen. Aber er ist nur ein Mann, und seine Worte werden weder von der Polizei noch von den Gerichten angehört. Wir befinden uns in Indien, dem Land der Ausgrenzung. Der Mann bleibt hartnäckig: Er glaubt an die Gerechtigkeit und wird nicht aufgeben. Zwei Jahre lang folgt der Journalist dem Mann, erforscht, was er gesehen hat, seine Familie, sein Umfeld und seine rechtlichen Schritte. Mit kleinen, eleganten und aussagekräftigen Strichen zeichnet er ein nuanciertes Porträt des bevölkerungsreichsten Landes der Welt. Eines der komplexesten und am schwierigsten zu beschreibenden. Rahul Bhatia gewinnt auf brillante Weise den ersten Preis für The Trials of an Indian Witness: How a Muslim Man was caught in a Legal Nightmare.
Der zweite Preis wird für eine Geschichte verliehen, die die Macht des beharrlichen Nachforschens veranschaulicht. Eine tiefgründige Reportage über das Unrecht, das einigen der schwächsten Mitglieder der Gesellschaft angetan wurde, und das Versagen der Regierung, sie zu schützen. Elegant geschrieben, enthüllt sie Schichten der endemischen institutionalisierten Heuchelei und sozialen Doppelzüngigkeit. Der zweite Preis geht an die Geschichte eines Kinderarbeiters in einem Schlachthof in den USA, der in einem ausbeuterischen System gefangen ist, dem er nicht entkommen kann, und der durch seine Komplexität und die Darstellung von Widersprüchen zum Nachdenken anregt. Herzlichen Glückwunsch an Hannah Dreier für The Kids on the Night Shift.
Der dritte Preis geht an einen erschütternden, unvergesslichen Beitrag, der uns direkt in die blutverschmierten Zellenblöcke eines honduranischen Frauengefängnisses versetzt. Der Journalist rekonstruiert anschaulich ein Massaker an sechsundvierzig weiblichen Gefangenen durch rivalisierende Insassinnen. Durch eine Kombination aus mutigen Berichten aus dem kriminellen Untergrund und Interviews mit den betroffenen Frauen aus erster Hand vermittelt der Autor einen außergewöhnlichen Einblick in die chronischen Probleme Lateinamerikas mit Gewalt, Korruption und sozialer Ungleichheit. Der dritte Preis geht an Juan José Martinez d’Aubuisson für We, The Massacred.
Die Gewinnerinnen und Gewinner setzten sich gegen 33 weitere Nominierte durch, die in Bern anwesend waren. Insgesamt wurden 942 Beiträge aus 101 Ländern in 18 Sprachen eingereicht. Alle Nominierten werden ihre Arbeiten am Samstag und Sonntag im Rahmen des True Story Festivals an 40 Veranstaltungen im Herzen von Bern der Öffentlichkeit präsentieren.
Der True Story Award ist der erste global ausgerichtete Journalistenpreis, der Vorbild und Ansporn für Journalistinnen und Journalisten in aller Welt sein soll. Zudem sollen die Stimmen der Reporterinnen und Reporter über die Grenzen ihrer Heimatländer hinaus bekannt gemacht und damit die Vielfalt der Perspektiven in den Medien erhöht werden. Der True Story Award wird von einer unabhängigen Stiftung verliehen und würdigt die Arbeit von Reporterinnen und Reportern, die sich durch die Tiefe ihrer Recherchen, die Qualität ihres Journalismus und dessen gesellschaftliche Relevanz ausgezeichnet haben.
Die vollständige Liste der Preisträger:
ERSTER PREIS
Rahul Bhatia
The Trials of an Indian Witness: How a Muslim Man was caught in a Legal Nightmare
Originalsprache: Englisch
Erstmals veröffentlicht: Guardian Long Read, Vereinigtes Königreich, 2. März 2023
ZWEITER PREIS
Hannah Dreier
The Kids on the Night Shift
Originalsprache: Englisch
Erstmals veröffentlicht: The New York Times Magazine, USA, 25. September 2023
DRITTER PREIS
Juan José Martínez d’Aubuisson
We, The Massacred
Originalsprache: Spanisch
Erstmals veröffentlicht: Redacción Regional, El Salvador, 14. September 2023
Ehrende Erwähnungen 2024
Andreas Babst (Schweiz), Inside the Taliban’s Luxury Hotel; Elaheh Mohammadi (Iran), A Country’s Grief; Facundo Fernández Barrio, Miriam Lewin (Argentinien), The «Happiest Days» of Argentina’s Repressors; Nemanja Rujević, Ingrid Gercama, Nathalie Bertrams, Tristen Taylor (Serbien), Parrots as valuable as Cocaine