Kiki, Kate und die anderen Models sind fertig eingekleidet, fertig geschminkt – eine halbe Stunde noch, dann soll die Welt die neue Kollektion von Martan sehen können. Labelgründer Diek Pothoven ist nervös, aber bester Laune. Er hatte schon vor einigen Jahren den Plan, Mode zu kreieren, hat das Vorhaben aber aufgrund ökologischer Überlegungen wieder und wieder verworfen. Erst die Idee, ausrangierte Stoffe von Hotels und Restaurants zu nutzen, verlieh ihm die Bereitschaft, die Sache anzupacken.
Diek kann ausgiebig über Ästhetik fachsimpeln, über Stil und Ausstrahlung, rutscht aber erzählend rasch ab ins Ökologische: «Das klingt vielleicht selbstverliebt, weil ich nun dieses kleine Label führe, aber ich sehe die Sache mit globaler Perspektive: Wir müssen unbedingt von Fast Fashion wegkommen. In zahlreichen Ländern ist es heute verboten, Taschen und Verpackungen aus Einwegplastik in Umlauf zu bringen. In derselben Weise sollte es verboten sein, derart billige Kleider in Umlauf zu bringen, dass sie faktisch, nicht anders als eine Plastiktüte, nach einmaligem Gebrauch weggeschmissen werden.»
Die Problematik ist der Europäischen Union bekannt. Ihre Antwort darauf ist die Ökodesign-Verordnung. Diese ist seit Juli 2024 in Kraft und betrifft nicht nur Textilien, sondern auch Möbel, Kühlschränke, Elektronik. Im Fokus steht, dass Produkte wiederverwendbar sind, dass man sie reparieren kann, dass sie möglichst wenig Energie verbrauchen. Firmen müssen über Materialien, die erwartete Lebensdauer, den Umweltfussabdruck sowie über besorgniserregende Stoffe informieren. Zudem verbietet die Richtlinie die Vernichtung unverkaufter Kleider. Die Unternehmen haben anderthalb Jahre Zeit, ihre Produktion den Anforderungen der Verordnung anzupassen. Da EU-Verordnungen in allen Mitgliedsstaaten gelten, ohne dass sie in einzelstaatliches Recht umgewandelt werden müssen, ist der gesetzliche Rahmen klar – offen bleibt vorerst, wie streng das Gesetz interpretiert wird.
In Kopenhagen rücken die Uhren vor auf 20 Uhr, der Saal füllt sich. Hinter den Kulissen stehen die Models bereit; darunter auch Kate und Kiki: Kate trägt ein rückenfreies Top und eine sehr weit geschnittene Hose; Kiki einen roten Rock und ein Top, das, in der Form einer gefalteten Serviette, ihre Hüften unbedeckt lässt.
Diek schiebt den schweren Vorhang beiseite, ein paar Zentimeter nur, sucht und findet den Blickkontakt mit dem DJ, gibt ihm ein Zeichen. Der DJ zieht sich die Kopfhörer über die Ohren, dreht die Musik lauter. Die Lichter an der Decke richten sich auf die Mitte des Raumes, der Vorhang öffnet sich: Die Show kann beginnen.